Tuesday, October 06, 2009

Wie ich auf eine einsame Insel reisen durfte und am Strand erbrach.

Es gibt Momente, da fühlt man sich von der Welt betrogen. Hauptsächlich aus dem Grunde,weil man davon überzeugt ist, dass sie einem was schulde. Dieser Moment war "Risen". Erst vor einige Tagen. Vielleicht hätte ich auch misstrauisch werden sollen, bei dem ganzen Gejubel in der Spielpresse. Kaum kommt ein Furz aus Deutschland, fliegen den Patrioten die Röcke hoch und das obwohl das Spiel Schund ist. "Jaaaaaaaaa, aber ..." werden jetzt die Gothic Fans sagen. Und sie haben Recht. Die beiden.

Denn wer genug Fantasie und gerade keinen Computer mit Minesweeper zur Hand hat, der wird es aushalten.
Für den wird auch das Intro garantiert innovativ sein. Hat denn keiner der Entwickler im letzten Jahr aufgepasst?
Damit meine ich jetzt nicht die Serie "LOST", sondern das Spiel "Age of Conan".
"Hilfe, Hilfe, wir sind auf einer komischen Insel gestrandet und nehmen uns einen Stock um auf gruselige Inselaffen einzuschlagen!"
Man muss hier allerdings zur Verteidigung von "Bschisn" sagen, dass die Kämpfe bei der Ankunft auf der Innovationsinsel in epischen Schlachten enden. Gegen mutierte Hühner.
Als ich in der Anleitung las, dass der Anfang schwer sei und man eher mit List als mit einer Waffe erfolgreich Kämpfe bestreiten solle, wusste ich nicht, dass mit List Flucht und mit Waffe Ast gemeint war. Aber so ist das nun mal, wenn man sich ein Öl-Dressing bestellt, bekommt man trotzdem den Joghurtmist und essen wird man es trotzdem. Und das wissen die Lieferanten auch.
Mit dem Argument, dass die Grafik auf dem PC ja viel besser sei und deswegen solle ich mich nicht beschweren, kann mir auch keiner kommen. Denn erstens wird das Spiel auf der Box angeboten und zweitens wurde mit Screenshots der PC- Version Werbung in Magazinen für die XboX gemacht.


Egal, ich wollte ja nicht auf die beiden Gothic-Fans hören,
sondern weiter rumheulen.
Nun bin ich also auf dieser bescheuerten Pixelinsel gestrandet und das erste was mir einfällt ist ein direkter Vergleich zu meiner PC-Krücke, auf der ich jedes mal die Grafik dermaßen weit runterschrauben muss, dass nur ein grauer Brei über bleibt. Der erste Gedanke war tatsächlich, dass Unreal (und zwar der erste Teil) eine weitaus bessere Spieltiefe hat. Das liegt allerdings nicht nur daran, dass die Grafik von Unreal besser IST, sondern zusätzlich am Gameplay.
Die Tatsache, dass ich meine Kamerageschwindigkeit nicht einstellen kann, halte ich für eine
Frechheit. So dummdreist kann doch kein aktueller Spieleentwickler sein! Abgesehen davon hat mich bei Unreal begeistert, dass meine Spielfigur das getan hat, was ich von ihr verlangt habe. "Risen" gibt mir das Gefühl, dass die hakelige Marionette, die ich durch die Gegend schleife, sehr oft erst einmal darüber nachdenken muss, ob sie wirklich das tun möchte, was ich von ihr verlange:

"Spring von der Klippe, du Depp"
"Sorry, ich kann nicht springen."
"Erwartet auch keiner von einem Spiel, das für das Jahr 1960 designt wurde."

Ich hätte auch nicht gedacht, dass ein Spiel Hitboxes verwendet, die so groß gemacht wurden, dass die Figur gerade mal durch die Tür passt, so dass man jedes mal beim betreten des Hauses GENAU in der Mitte stehen muss damit man sich nicht den Schädel einrennt. Aber da das Spiel für Nostalgiker gemacht wurde, müssen denen ja die Hosen platzen bei diesem Anblick. Ich hab mir die Unterlippe abgebissen.
Macht aber nix, denn schließlich brauche ich die nicht
zum zocken - oder doch? Wie sich herausstellt brauche ich sie. Beim Kampf. Wenn ich einen Gegner anvisiere und schlage, während ich in der Deckung bin und mit dem anderen Daumen auf der Schlag-Taste bin, brauche ich meine Unterlippe, damit ich die Kamera drehen kann. Denn die Spielfigur guckt ständig stur gerade aus. Gegner können mich besiegen indem sie einfach langsam an mir vorbei gehen, weil ich einfach keine Hand frei habe mich umzudrehen. Win.

Nachdem ich also im Busch herumirre, weil man sich die Karte zusammensuchen muss, werde ich alle zwei Meter von irgendwelchen Ratten besiegt, die mir nicht mal bis zur Hüfte gehen - allen voran mutierte Hühner. Erzwungener Gameplaybremsenrealismus in allen Ehren, natürlich weiss ich, dass keiner die ganze Insel auf magische Weise bei seiner Ankunft kartografiert haben kann, aber wenn man mit seiner Einstellung schon das Gameplay kaputtprogrammiert, muss man doch ab einem gewissen Punkt Erbarmen haben - oder zumindest Verständnis, dass fehlendes Interesse am Spiel nicht dadurch gesteigert wird, dass man dem Spieler Orientierungshilfen vorenthält...

Und wenn wir schon beim Realismus sind: Ich sehe ein Haus mit einem Bauern davor. In diesem Haus befinden sich Gegenstände, die meinen Charakter besser machen. Die will ich haben. Das ist ein Spiel. Ich werde sie mir nehmen. Der Bauer haut mich. Aber ich liege nur bewusstlos auf dem Boden herum und stehe wieder auf. Ich möchte drei Gegenstände haben, also greife ich nochmal zu. Und wieder das gleiche Spiel: bewusstlos, aufstehen, zugreifen. Das nenne ich mal Realismus. Ich steige sofort tiefer in das Spiel ein und beklaue weitere dämliche Bauern, denen es egal ist, dass ich ihre Schweine abschlachte, aber wenn ich eines ihrer Bücher lesen möchte, drehen sie am Rad.
Die KI ist an jeder Ecke so. Wird mir erzählt "da darfst du nicht hin, die töten dich!", dann tue ich genau das und lasse mich KO schlagen. Danach ist man mit denen nämlich befreundet. Wie im richtigen Leben.
Und wenn man nicht KO geht, wird man anders bestraft. Mit dem Ladebildschirm. Der dauert ca. so lange wie eine Geburt von Fünflingen und das anschließende Großziehen und ist mindestens so entspannend.

Mehr habe ich von Spiel nicht gesehen und werde es auch nie tun, denn wenn ich in einen Haufe Scheisse getreten bin, dann freue ich mich im Gegensatz zu einigen Optimisten in diesem Land nicht darüber, dass man schliddern kann, sondern versuche den Gestank loszuwerden. Also habe ich das Spiel eingeschmolzen und der Videothek Schadensersatz gezahlt. Ein toller Tag.

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